“Wann immer einen die Dinge erschreckten, sei es eine gute Idee, sie zu messen.”
“Kurz vor seiner Abreise lernte er den berühmten Georg Forster kennen, einen dünnen, hustenden Mann mit ungesunder Gesichtsfarbe. Er hatte mit Cook die Welt umrundet und mehr gesehen als irgendei anderer [...] Melancholie umgab ihn wie ein feiner Nebel. Er habe zu viel gesehen, sagte er. Eben davon handle das Gleichnis von Odysseus und den Sirenen. Es helfe nichts, sich an den Mast zu binden, auch als Davongekommener erhole man sich nicht von der Nähe des Fremden. Er finde kaum Schlaf mehr, die Erinnerungen seien zu stark. [...]
- Er wolle auch reisen, sagte Humboldt.”“Man heirate, wenn man nichts Wesentliches im Leben vorhabe, sagte Humboldt.”
“Ein Hügel, von dem man nicht wisse, wie hoch er sei, beleidige die Vernunft und mache ihn unruhig. Ohne stetig die eigene Position zu bestimmen, könne ein Mensch sich nicht fortbewegen. Ein Rätsel, wie klein auch immer, lasse man nicht am Wegesrand.”
“An einem Sonntagnachmittag ließ er sich von seinem Vater einige Buchstaben erklären. Dann betrachtete er die Seite, bis sich die noch unbekannten ganz von allein ergänzten und da plötzlich Wörter standen. Er blätterte um, diesmal ging es schneller, ein paar Stunden später konnte er lesen, und noch am selben Abend war er mit dem Buch [...] fertig. Er brachte es einer Mutter, um auch ihr die Zeichen zu erklären, aber sie schüttelte traurig lachend den Kopf. In diesem Moment begriff er, daß niemand den Verstand benutzen wollte. Menschen wollten Ruhe. Sie wollten essen und schlafen, und sie wollten, daß man nett zu ihnen war. Denken wollten sie nicht.”
“Bonpland fragte, wozu eine Statistik über Läuse gut sei. Man wollte wissen, sagte Humboldt, weil man wissen wolle.”
“Humboldt brauchte eine Weile, bis er so tun konnte, als hätte er sich daran gewöhnt. Es mißfiel ihm zu sehen, an wie vielen Stellen Frauen behaart waren; das schien ihm unvereinbar mit ihrer natürlichen Würde.”“Gauß, der zuvor nicht zugehört hatte, bat den Diplomaten, seinen Namen zu wiederholen. Der Diplomat tat es mit einer Verneigung. Er sei übrigens auch Forscher! Neugierig beugte Gauß sich vor. Er untersuche alten Sprachen. Ach so, sagte Gauß. Das, sagte der Diplomat, habe enttäuscht geklungen. Sprachwissenschaft. Gauß wiegte den Kopf. Er wolle ja keinem zu nahe treten. Nein, nein. Er solle es ruhig sagen. Gauß zuckte die Achseln. Das sei etwas für Leute, welche die Pedanterie zur Mathematik hätten, nicht jedoch die Intelligenz. Leute, die sich ihre eigene notdürftige Logik erfänden. Der Diplomat schieg.”
“Niemand, sagte Humboldt, habe eine Bestimmung. Man entschließe sich nur, eine vorzutäuschen, bis man es irgendwann selbst glaube. DOch so vieles passe nicht dazu, man müsse sich entsetzliche Gewalt antun.
Der Ältere loehnte sich zurück und sah ihn lange an. Immer noch die Knaben?
Das hast du gewußt?
Immer.”“Humboldt fragte ihn, ob er nicht früher mit Professor Gauß gearbeitet habe.
Der Höhepunkte seines Lebens, sagte Bessel, wenn auch nicht einfach. Von dem Moment, als der Fürst der Mathematiker ihm in Bremen empfohlen habe, die Wissenschaft aufzugeben und Koch zu werden oder Hufschmied, falls das nicht schon zu anspruchsvoll für ihn sei, habe er sich lange nicht erholt. Immerhin habe er noch Glück gehabt, sein Freund Bartels in Petersburg habe es mit diesem Mann schlimmer getroffen. Gegen solche Überlegenheit helfe nur Sympathie.”“Der Tod würde kommen als Erkenntnis von Unwirklichkeit. Dann würde er begreifen, was Raum und Zeit waren, was die Natur einer Linie, was das Wesen der Zahl. Vielleicht auch, warum er sich immer wieder wie eine nicht ganz gelungene Erfindung vorkam, wie die Kopie eines ungleich wirklicheren Menschen, von einem schwachen Erfinder in ein seltsam zweitklassiges Universum gestellt.”
“Die Dinge sind, wie sie sind, und wenn wir sie erknnen, sind sie genauso, wie wenn es anderen tun oder keiner [...]. Man dürfe die Leistungen eines Wissenschaftlers nicht überschätzen, der FOrscher sein kein Schöpfer, er erfinde nichts, er gewinne kein Land, er ziehe keine Frucht, weder säe noch ernete er, und ihm fogten andere, die mehr, und wieder andere, die noch mehr wüßten, bis schließlich alles wieder versinke.”
“Auf dem Weg dorthin dachte er darüber nach, ob es sich gehörte, ihr zu sagen, daß sie seine erste Frau war [...]. Doch dann war es sehr einfach [...] und es war gar nicht mehr wichtig, wie jung sie war oder wie sie aussah, und als ihm am nächsten Morgen klar wurde, daß sie seinen ganzen Gewinn mitgenommen hatte, brachte er es nicht fertig, sich zu ärgern. Wie leicht alles wurde, wenn man aufbrach.”
April 6th, 2012
April 6th, 2012 at 23:45
Meine Favoriten: “Wann immer einen die Dinge erschreckten, sei es eine gute Idee, sie zu messen.” und “Bonpland fragte, wozu eine Statistik über Läuse gut sei. Man wollte wissen, sagte Humboldt, weil man wissen wolle.”, besonders in der Gegenüberstellung. Und natürlich die Sache mit dem Heiraten. Hast Du denn “Wesentliches” vor?