RSS
  • Home Page Home
  • Camera Photography
  • about
  • about me
  • links
  • list: books

manifest des evolutionären humanismus

all posts, philosophy, religion, reviews: books Add comments

Ich habe gerade das Buch “Manifest des Evolutionären Humanismus – Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur” von Michael Schmidt-Salomon fertig gelesen, und finde es insgesamt schlicht schwierig.

Positiv ist hervorzuheben, dass er wunderschön schreibt, dass er viele Dinge beim Namen nennt, die meiner Meinung nach absolut korrekt sind, und dass er nicht nur Fakten, sondern auch Gedankengänge und Schlüsse präsentiert, die (zumindest für mich) neu waren; auch hat er sehr ordentlich recherchiert, und listet fast durchgehend Quellen auf.

Negativ (aber unterhaltsam) ist eindeutig die polemische Art, die er teilweise an den Tag legt – darüberhinaus hat er auch hin und wieder schlicht Unrecht (so behauptet er z.B., Einstein hätte lediglich einen metaphorischen Glauben besessen, was faktisch falsch ist, wenn man die Veröffentlichungen Einsteins als Grundlage nimmt; auch behauptet er mehrfach, Religionen wären “widerlegt”, was natürlich Unsinn ist – an anderer Stelle sagt er nämlich selbst, dass man die Nicht-Existenz eines Gottes natürlich niemals verifizieren kann).

Ich habe mir die Mühe gemacht, einige Gedanken abzutippen, weil ich sie für spannend/diskussionswürdig halte. Ich hoffe, lieber Herr Schmidt-Salmon, dass sie das nicht als Copyrightverletzung sehen – schließlich soll das ganze der Verbreitung des Buches dienen.

Wenn ein Mensch etwas glaubt, so heißt dies möglicherweise nur, dass er etwas vermutet, dass er sich seines Wissens nicht ganz sicher ist. Diese rationale Form des Glaubens ist [...] unproblematisch, schließlich sollte jedem, der sich auch nur halbwegs mit Erkenntnis- oder Wissenschaftstheorie beschäftigt hat, klar sein, dass alles Wissen “durchwebt ist von Vermutung”, wie Xenophanes schon vor Jahrtausenden formuliert hat.
Schwierigkeiten bereit hingegen die zweite Bedeutung von Glaube, die exakt das Gegenteil meint: Wenn jemand von sich sagt, er glaube, so kann das auch heißen, dass er etwas für unbedingt wahr hält, dass er sich des Geglaubten über alle Maßen sicher ist. Diese irrationale Form des Glaubens widerspricht nicht nur unserem Wissen um die notwendige Begrenztheit unseres Wissens, sie ist zudem aus zwei weiteren Gründen [...] inakzeptabel:

  • Durch die Unbedingtheit des Glaubens werden historisch bedingte Irrtürmer sowie unzulängliche Moralorstellungen für die Zukunft festgeschrieben, also künftige Erkenntnis- und Humanitätsfortschritte zugunsten dogmatischer Borniertheit verhindert.
  • Unbedingter religiöser Glaube beschwört fast unweigerlich religiöse Konflikte herauf. [...]

Evolutionäre Humanisten [...] lassen lieber falsche Ideen sterben, bevor Menschen für falsche Ideen steben müssen. [...] Sie gehen davon aus, dass die wissenschaftlichen Verfahren Logik (Überprüfung von Aussagen auf ihre Widerspruchsfreiheit) und Empirie (systematische Konfrontation von Tatsachenbehauptungen mit der Erfahrungswirklichkeit) die besten Instrumente sind, die die Menschheit bislang entwickelt hat, um gültige Erkenntnisse über die Welt zu gewinnen und die menschlichen Lebensverhältnisse humaner zu gestalten. [...]
Während Wissenschaftler wissen, dass sie nur etwas glauben (= für wahr halten), was heute angemessen erscheint, morgen aber möglicherweise schon überholt ist, glauben Gläubige, etwas zu wissen, was auch morgen noch gültig sein soll, obwohl es in der Regel schon heute widerlegt ist.

Klar ist: wer auch nur halbwegs redlich mit diesen “heiligen Texten” umgeht, der weiß, dass sie mit Humanität, mit der Gewährung von Menschenrechten, Demokratie, Meinungsfreiheit etc. herzlich wenig zu tun haben. Würden sie [...] sich nicht ständig selbst belügen, müssten sie zugeben, dass sämtliche religiösen Quellentexte weit unter dem ethischen Mindeststandard jeder halbwegs zivilisierten Gesellschaft stehen.
Dies gilt nicht nur für die in den Texten enthaltenen göttlichen Gebote (beispielsweise die Forderung nach der Todesstrafe für homosexuelle Handlungen oder Glaubensabfall in den Quellentexten des Judentums, Christentums und des Islam), sondern auch für das dort angeblich dokumentierte Verhalten der vermeintlich obersten, moralischen Autorität (Gott).
Als ethisches Vorbild für unsere Zeit taugt der Gott der Juden, Christen und Muslime gewiss nicht. [...] Kein noch so verkommenes Subjekt unserer Spezies hat jemals derartig weitreichende Verbrechen begangen.

Halten wir fest: Es ist eine historisch unumstößliche Tatsache, dass die fundamentalen Rechte (insbesondere die Menschenrechte), die die Grundlage für eine moderne, offene Geselslchaft bilden, keineswegs den Religionen entstammten, sondern vielmehr in einem Jahrhunderte währenden säkularen Eanzipationskampf gegen die Machtansprüche dieser Religionen durchgesetzt werden mussten.

Für jeden halbwegs aufgeklärt denkenden Protestanten dürfte es kaum eine peinlichere Erfahrung geben als die Lektüre der Texte Martin Luthers. [...] Im blinden Vertrauen auf die ewige Wahrheit der Bibel forderte Luther u.a. die Ermordung sog. “Hexen”, die vollständige Vertreibung der Juden (kein Haus dieser vermeintlichen Gottesmörder sollte nach Luthers Überzeugung stehen bleiben – siehe Luthers Schrift “Von Juden und ihren Lügen”) sowie die gnadenlose Eliminierung der aufständischen Bauern (denen er ebenfalls vorwarf, vom Teufel besessen zu sein, weil sich diese im scharfen Widerspruch zu den Geboten der “Heiligen Schrift” gegen die angeblich von Gott eingesetzten weltlichen Herrscher aufgelehnt hatten).

Die größte aktuelle Bedrohung für Homo sapiens besteht nicht in Erdbeben und Tsunamis, nicht in Vulkanausbrüchen und Meteoriteneinschägen, nicht in korrupten Regierungen oder Konjunktureinbrüchen, sondern in einer strukturell bedingten Dummheit. [...] in Wahrheit steckt hinter der ganzen Misere aber nur eine einzigartige, gigantische, weltumspannende Riesenblödheit.

Die größte intellektuelle und emotionale Herausforderung für jeden, der sich ernsthaft mit dem Menschen und seiner Geschichte beschäftigt, besteht darin, der Versuchung nicht zu erliegen, Zyniker zu werden.


December 1st, 2008  

Leave a Reply

  • photography exhibition

    Exhibition ended: details
  • Recent Posts

    • hillary clinton’s 3 minute statement on reproductive health
    • brave new world: why privacy matters
    • US wealth distribution
    • kafka
    • putin on the syria conflict
  • Recent Comments

    • amenity on the lady A
    • amenity on the lady A
    • E. on severins gang in die finsternis
  • Categories

  • Archives

  • buy posters and art prints

  • buy posters and art prints

Copyright © 2021 - Eiko Fried. Credits to ChanDara for the awesome WordPress template.
XHTML CSS Log in
loading Cancel
Post was not sent - check your email addresses!
Email check failed, please try again
Sorry, your blog cannot share posts by email.