Inhalt:
Hermann Hesse hat das Buch während oder kurz nach einem längeren Indien Aufenthalt geschrieben, was man auch klar am Buch erkennen kann. Der Buddhismus ist sehr detailreich, und meines Wissens nach auch völlig korrekt dargestellt, und die Glaubensfragen und -probleme, die sich dem jungen Siddharta stellen, sind demnach auch sehr dicht, genau, ausführlich und glaubwürdig beschrieben.
Siddharta wird als Sohn eines buddhistischen Brahmanen, also eines hochgestellten geistlichen geboren, und für ihn ist ebendiese Laufbahn vorbestimmt. Der kleine Junge zeigt sich sehr begabt im Meditieren, im Lernen der Veden, aber auch in den Glaubendiskussionen mit den Älteren. Doch es erfüllt ihn nicht, zieht ihn in die Ferne – und so schließt er sich, nachdem er eine ganze Nacht lang am Lager seines Vaters stand, der ihm zuerst der Bitte nicht nachgeben wollte, fortgehen zu dürfen, den Samanas (Asketen) an.
Aber auch dort findet er keinen Frieden, und zieht von dortan weiter und weiter, beginnt gegen Mitte des Buches sogar ein Leben der Lust zusammen mit einer Kurtisane, und findet schlussendlich seinen Frieden an einem kleinen Fluß. Als er dort seinen alten Freund Govinda wieder trifft – beide sind nun alte Männer – macht er diesem klar, dass er seinen Frieden nicht erklären kann. Dass man ihn erfahren muss.
Ich sage, was ich gefunden habe. Wissen kann man mitteilen, Weisheit nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, [...] aber sagen und lehren kann man sie nicht.
Stil:
Das Buch ist wunderschön geschrieben, man bekommt Fernweh nach diesem wunderschönen, großen Land voller Natur und Menschen. Die etwas gehobene, altertümliche und sehr höfliche Sprache Siddhartas hilft einem, sich diesen Mann genau vorzustellen. Das Buch ist auf einer philosophischen Ebene sehr interessant, und wird gerade am Ende auch sehr komplex, wenn es zum buddhistischen “Alles ist Alles” übergeht, was ich persönlich nicht teile (verstehe?).
Das Buch enthält viele kleine und große Weisheiten, zumindest für mich. Ich habe mich oft mit diesem Siddharta, mit dem Reisenden, Suchenden, sich Sehnenden identifizieren können – möge mein Leben auch voller Weisheit und Zufriedenheit an einem stillen, wunderschönen Bach enden.
Bewertung: 1
Tief sann er nach, wie durch ein tiefes Wasser ließ er sich bis auf den Boden dieser Empfindung hinab, bis dahin, wo die Ursachen ruhen, denn Ursachen erkennen, so schien ihm, das eben ist Denken, und dadurch allein werden Empfindungen zu Erkenntnissen und gehen nicht verloren, sondern werden wesenhaft und beginnen auszustrahlen, was in ihnen ist.
Alsdann kam ihm für eine Stunde zum Bewußtsein, dass er sein seltsames Leben führte, dass er da lauter Dinge tue, die bloß ein Spiel waren, dass er wohl heiter sei und zuweilen auch Freude fühle, dass aber das eigentliche Leben dennoch an ihm vorbeifließe und ihn nicht berühe. Wie ein Ballspieler mit seinen Bällen spielt, so spielte er mit seinen Geschäften, mit den Menschen seiner Umgebung, sah ihnen zu, fand seinen Spaß an ihnen; mit dem Herzen, mit der Quelle seines Wesens war er nicht dabei. Die Quelle lief irgendwo, wie fern von ihm, lief und lief unsichtbar, hatte nichts mehr mit seinem Leben zu tun.
“Du bist der beste Liebende”, sagte sie nachdenklich, “den ich je gesehen habe. […] Und dennoch, Lieber, bist du ein Samana geblieben, dennoch liebst du mich nicht, du liebst keinen Menschen. Ist es nicht so?”
- “Es mag wohl so sein”, sagte Siddharta müde. “Ich bin wie du, auch du liebst nicht – wie könntest du sonst die Liebe als eine Kunst betreiben? Die Menschen von unserer Art können vielleicht nicht lieben. Die Kindermenschen können es; das ist ihr Geheimnis.”Langsam nur, zwischen seinen wachsenden Reichtümern, hatte Siddhartha selbst etwas von der Art der Kindermenschen angenommen, etwas von ihrer Kindlichkeit und von ihrer Ängstlichkeit. Und doch beneidete er sie, beneidete sie desto mehr, je ähnlicher er ihnen wurde. Er beneidete sie um das Eine, was ihm fehlte und was sie hatten, um die Wichtigkeit, welche sie ihrem Leben beizulegen vermochten, um die Leidenschaftlichkeit ihrer Freuden und Ängste, um das bange, aber süße Glück ihrer ewigen Verliebtheit. In sich selbst, in Frauen, in ihre Kinder, in Ehre oder Geld, in Pläne oder Hoffnungen verliebt waren diese Menschen immerzu.
“Wenn jemand sucht”, sagte Siddhartha, “dann geschieht es leicht, dass sein Auge nur noch das Ding sieht, das er sucht, dass er nichts zu finden, nichts in sich einzulassen vermag, weil er nur immer an das Gesuchte denkt, weil er ein Ziel hat, weil er vom Ziel besessen ist. Suchen heißt: ein Ziel haben. Finden aber heißt: frei sein, offen stehen, kein Ziel haben.”